Das ABC der Hypnose

Die meisten Menschen assoziieren viele Klischees und Vorurteile mit Hypnose. Ältere Generationen haben oft noch die Bilder aus dem Fernseher im Kopf, als Hypnose in Mode kam und in vielen Shows und Darbietungen jeglicher Art als Attraktion galt. Menschen aus dem Publikum wurden auf freiwilliger Basis hypnotisiert und gehorchten plötzlich Anweisungen vom Hypnotiseur. Ungeahnte Fähigkeiten der hypnotisierten Person wurden herausgekitzelt und oft konnte die Person, sobald sie aus der Trance herausgeholt wurde, sich an keine bewussten Prozesse erinnern. Viele haben auch das Pendeln einer Schnur oder einem anderen Gegenstand im Kopf, dem man dann mit den Augen folgen soll, um in den Hypnoseprozess eingeleitet zu werden. Phantasien darüber, dass man in der Trance der Hypnose komplett willenlos wäre und sich eben an nichts mehr erinnert nach dem Prozess und dass man zu allem befähigt werden könnte, abhängig davon was der Hypnotiseur einem einflüstert, herrschen immer noch vor. Kaum eine dieser Vorstellungen ist aber wahr. Hypnose wird heutzutage zu anerkannten Therapiezwecken genutzt und erfüllt somit keines der oben dargestellten Klischees wie im Nachfolgenden noch klar wird.

Denn was ist eigentlich Hypnose beziehungsweise die Hypnose, wie wir sie zum Erreichen eines Therapieziels nutzen?

Der Begriff „Hypnose“ ist zwar aus dem ursprünglichen griechischen Begriff für „Schlaf“ entstanden beziehungsweise abgeleitet worden, was ja die Annahme unterstützen würde, dass man sich nicht mehr an Dinge erinnert, die man eigentlich während des Prozesses erlebt hat – wie wenn man schlafwandeln würde. Dennoch darf die Hypnose nicht als wirklichen „Schlaf“ betrachtet werden. Hypnose ist eher ein Zustand der Tiefenentspannung, der durch Suggestion herbeigeführt werden kann durch eine andere Person – dem Hypnotiseur beziehungsweise dem Therapeuten. In diesem Zustand der Tiefenentspannung ist die Wahrnehmung des Hypnotisierten nur auf die Stimme des Therapeuten konzentriert und gleichzeitig rücken andere Körperfunktionen und Empfindungen in den Hintergrund. Dieser Zustand hilft dabei den Aufmerksamkeitsfokus auf eine spezifische Thematik zu lenken, in dem Fall die eben zu behandelnde Thematik wie Flugangst, chronische Schmerzen oder das Rauchen zum Beispiel. Anders beschrieben hilft der hypnotische Zustand dabei die Wahrnehmung auf das Innere, also auf unbewusste Bereiche zu lenken. Eine neue Kommunikationsebene entsteht so zwischen dem Hypnotisierten und seinem Hypnotiseur. Als Hypnotisierter befindet man sich also zu jeder Zeit in einem wachen Zustand, der seine Sonderstellung aber daraus gewinnt, dass das eigene Bewusstsein von äußeren Prozessen auf innere gelenkt wird. Man kann die Hypnose also auch liebevoll den „dritten Bewusstseinszustand“ nennen. Das heißt auch wiederrum, dass theoretisch jede geistig gesunde Person hypnotisierbar ist. Manche Menschen werden behaupten, dass sie gerade wegen ihres starken Willens der Hypnose wiederstehen können. Selbst diese können leicht und sicher durch die richtige Suggestion in die Hypnose eingeleitet werden. Mit absoluter Willenlosigkeit im Hypnosezustand hat das aber trotzdem nichts zu tun, immerhin bleibt man immer noch man selbst und kann jederzeit aus der Trance heraus.

Wie sieht eine typische Hypnosesitzung aus?

Viele Problematiken und Thematiken können schon in wenigen Hypnosesitzungen behandelt werden. Klassische Sitzungen während einer Hypnosetherapie durchlaufen typischerweise drei Stadien: von der Einleitung des Hypnoseprozesses (Hypnoseinduktion) durch Suggestion, über den Hypnosezustand selber (Phase der Intervention), hin zu dem Geleiten aus der Hypnose heraus zum Ende der Sitzung (Hypnose-Ausleitung). Die Übergänge zwischen den Phasen sind fließend, wobei natürlich die Trance im Mittelteil der Sitzung den wichtigsten Teil der Sitzung ausmacht. Dieser Zustand wird als Grundlage für die unterschiedlichsten Veränderungen genutzt. Ideale Voraussetzungen für die Hypnose hängen auch stark von den Praxisräumen selber ab. Ruhige Umgebungen sind für Hypnosepraxen von Vorteil, weil eine gewisse Gelassenheit und Entspannung eine wichtige Rolle spielen, gerade auch wenn der Patient selber noch Widerstände gegen den Hypnoseprozess zeigt. Oft findet man deswegen schon im Eingangsbereich und Wartebereich bequemes und ansprechendes Mobiliar, um sich bereits hier schon einmal von dem Alltagsstress entfernen zu können und sich auf eine entspannte Atmosphäre einstellen zu können. Im Therapieraum selber findet man sich selbst während des Trancezustandes auf einer bequemen Liegecouch wieder. Durch die Schlaf ähnliche Position gelingt es dem Körper leichter Anspannung loszulassen und sich selbst in einen Ruhezustand zu versetzen. Einrichtung und Beleuchtung zielen auch hier darauf ab den Entspannungszustand zu unterstützen. Gerade bei einer Ersthypnose ist es wichtig, dass Optimalbedingungen hergestellt werden und sich so der Klient ganz auf den Prozess einlassen kann, um eben auch eine Vertrauensbasis mit dem Hypnotiseur zu schaffen.

Phase 1: Hypnose-Induktion:Nach der allerersten Hypnosesitzung, dem Vorgespräch, welches aus einer umfangreichen Anamnese besteht, wird zum ersten Mal hypnotisiert. Die Tiefenentspannung wird erreicht durch Imaginationsübungen, durch für die Hypnose typische Sprachmuster oder bekannter weise durch Suggestionen. Suggestionen sind allgemein als Fremdeinwirkungen definiert, welche aus Ratschlägen, Anweisungen und Tipps bestehen. Suggestionen werden genutzt, um das Therapieziel zu erreichen, sie sind also zielgerichtet. Ziele beziehungsweise die Erfolgswünsche bezüglich einer Problematik werden schon im ersten Gespräch extrahiert.

Phase 2: Interventions-Phase:In der Phase beginnt die richtige Behandlung, die „Intervention“. Oft wird im Monolog des Therapeuten auf den Klienten eingewirkt. Im Falle einer hypnotischen Regression kann auch im Dialog an dem Therapieziel gearbeitet werden. Die Regression bezeichnet dabei eine Möglichkeit der Analyse des Problemverhaltens während des hypnotischen Zustands. Bei der Regression reist man quasi zurück in die Vergangenheit, um Ursprünge des Problemverhaltens aufzulösen. Im Dialog beschreibt der Klient detailliert seine Rückreise in die Vergangenheit und die Situationen, die vor dem inneren Auge auftauchen. Der Hypnotiseur stellt dafür zielgerichtete, klare Fragen, um einen durch die Reise zu geleiten. Gerade bei Vergangenheitstraumata stellt die Regression eine angemessene Methode dar, aber auch bei anderen Thematiken ist es durchaus sinnvoll sich auf die Suche nach den Ursachen eines Problems zu machen. Die Empfindungen in dieser Trance Phase variieren natürlich individuell, viele nehmen den Entspannungszustand allerdings als sehr positiv wahr. Der Atem ist ruhiger, man spürt eine wohlige Wärme und der Klang der Stimme des Hypnotiseurs ist angenehm. Grundsätzlich wird die Interventions-Phase also oft als sehr erholsam erlebt.

Phase 3: Hypnose-Ausleitung:In der Phase wird man langsam zurück aus dem hypnotischen Entspannungszustand geholt, sie kann also auch als „Reorientierungsphase“ verstanden werden. Der Klient kommt wieder bewusst zurück in den Raum und die eigenen Körperfunktionen werden wieder normal wahrgenommen. Wichtig ist es dieser Phase genügend Zeit einzuräumen, damit der Klient wieder völlig aufmerksam und aufnahmebereit in den Alltag zurückkehren kann.

Es wird also schnell deutlich, dass die Hypnose Anwendung zu Therapiezwecken auf Behutsamkeit und langsame Einführung und Ausleitung in den Hypnosezustand beruht und man sich nicht plötzlich einfach so in einem willenlosen Zustand befindet. Trotzdem kennt man die Hypnose Darbietung aus dem Fernsehen – sind diese nur Betrug? Nein, denn es gibt auch die Möglichkeit der Blitzhypnose. Die Blitzhypnose ist eine Technik, um eine Person innerhalb von Sekunden in die Trance zu versetzen mittels eines Überraschungsmoments und dadurch kommt diese Art des Hypnotisierens gerade zu Showzwecken zum Einsatz. Allerdings wird diese Technik in der professionellen Anwendung kaum verwendet, weil sie oft eben die Gefühle des „ausgeliefert seins“ unterstützt und das kontraproduktiv für das Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Klient sein kann.

Der Schwerpunkt der Hypnosetherapie liegt also darin unbewusste Bereiche des eigenen Erlebens und Verhaltens zu ergründen. Obwohl Wissenschaftler sich noch nicht sicher sind welchen Ausmaß die unbewussten Prozesse haben können, zeigen viele wissenschaftliche Studien der letzten Jahre, dass dem Unterbewusstsein eine sehr wichtige Rolle zugeschrieben werden kann. Es steuert um die 90% unseres Erlebens, Handelns, unseres Denkens und unsere Emotionen. Das Unterbewusstsein speichert den größten Teil aller Informationen mit denen wir ständig zu jeder Zeit im Alltag konfrontiert werden, da unser Bewusstsein, welches uns jeder Zeit bewusst zugänglich ist, nur eine begrenzte Speicherkapazität aufweist und nicht alle Informationen gleichermaßen verarbeiten kann. Verarbeitet werden trotzdem alle Informationen durch unser Unterbewusstsein. Das heißt keine Erfahrung geht verloren, keine Prozesse werden einfach so verlernt oder vergessen. Emotionen und jegliche Erinnerungen bleiben gespeichert und verdrängte Konflikte haben dort ihren Platz. Gründe von Problemverhalten lassen sich deswegen sehr gut ermitteln, wenn man mittels der Hypnose ins Unterbewusstsein eintaucht und längst verschüttete Erinnerungen zum Beispiel zu Tage fördert. Im hypnotischen Zustand ist folglich das Unterbewusstsein besonders gut erreichbar und Worte und Anleitungen, also aktive Einwirkungen des Hypnotiseurs, werden viel intensiver aufgenommen. Dies wird zum Beispiel gerade bei der Rauchentwöhnung interessant.

Ein Beispiel für den Erfolg der Hypnose- Die Rauchentwöhnung

Die meisten Raucher würden es vielleicht selber niemals so nennen, aber Fakt ist, dass Rauchen als Sucht eingestuft wird. Im klinischen Bereich werden Süchte grundsätzlich als Ersatzbefriedigung für basale, nicht ausreichend erfüllte Bedürfnisse verstanden. Viele Raucher können aber nicht direkt benennen oder nur Vermutungen darüber anstellen welches ursprüngliches Bedürfnis durch den Konsum von Zigaretten als Ersatzbefriedigung erfüllt werden soll. Durch den erleichterten Zugang zum Unterbewusstsein kann mittels der Hypnose leichter herausgefunden werden welches tieferliegendes und psychisches Bedürfnis erst zu befriedigen gilt. Psychologische Bedürfnisse wie nach Freiheit, Geselligkeit und Unabhängigkeit werden oft mit dem Zigarettenkonsum in Verbindung gebracht, gerade auch im Medien- bzw. Werbebereich. Bei genauer Betrachtung wird einem aber schnell klar, dass Rauchen im exzessiven Maße überhaupt nichts mit Freiheit und Unabhängigkeit zu tun hat. Süchte sind über Abhängigkeit eines Stoffes definiert, hier also dem Nikotin, und als starker Raucher besitzt man eben genau nicht mehr diese Freiheit zu entscheiden, ob man jetzt nochmal zu einer Zigarette greift oder nicht. Hat man durch die Reise in das Unterbewusstsein herausgefunden, welches dieser Bedürfnisse (auch andere Bedürfnisse sind grundsätzlich vorstellbar) nicht befriedigt werden, kann in folgenden Interventions-Phasen diese Information aktiv genutzt werden. Wenn man beispielsweise zur Zigarette greift, um sich nicht nur Freiheit oder Unabhängigkeit zu verschaffen, sondern auch negative Emotionen zu bewältigen, kann der Hypnoseprozess dazu beitragen neue Anker zu setzen, das heißt neue Assoziationen aufzubauen. Statt das man mit dem Rauchen starke Emotionen wie das Unabhängigkeitsgefühl etc. verbindet, soll die Emotion Gleichgültigkeit mit Zigaretten verbunden werden. Das ist eine von vielen Möglichkeiten wie Hypnosetherapie zur Raucherentwöhnung angewandt werden kann. Oft werden schon mit wenigen Sitzungen große Erfolge erzielt.

Weitere Einsatzbereiche der Hypnosetherapie- Beispiel Flugangst

Allgemein betrachtet kann Hypnose bei einer großen Bandbreite an Problemen wirksam sein. Typische Anwendungsbereiche sind wie beim exzessiven Rauchen Suchterkrankungen, Ängste, Traumata, Depressionen oder Übergewicht. Flugangst, wenn das fliegen bei jedem Urlaub zu einer heiklen Angelegenheit wird, ist zum Beispiel eine Störung, die sehr erfolgreich mit Hypnose behandelt werden kann. Schon in etwa drei Sitzungen ist es möglich eine ausdrückliche und offensichtliche Verbesserung in der typischen Flugangst Symptomatik zu erzielen, falls die Flugangst kein Resultat eines wirklichen Traumas beim Fliegen ist. Gerade zur Behandlung von Angstthematiken wird mit dem Konzept des „Verankern“ in der Hypnose gearbeitet. Ein Anker bezeichnet eine gefestigte Assoziation, die jeder auch schon mal im Alltag selbständig hergestellt hat. Ein Geruch, der einen an eine bestimmte Situation erinnert oder ein Lied, welches man während eines traurigen Moments gehörte hatte, kann man als Anker beschreiben. Hört man das Lied erneut, sind die Emotionen von damals sofort wieder präsent. Während den Sitzungen in der Hypnosetherapie wird in der Interventions-Phase eine Situation exploriert, die persönliche Ressourcen des Klienten aufzeigt, das heißt, Situationen werden reflektiert in denen man sich besonders positiv, stark oder souverän gefühlt hat. Diese Emotionen werden mit einem spezifischen Symbol in der eigenen Vorstellung verankert und anschließend so gefestigt, dass man in schwierigen Situation, wie einem anstehenden Flug, jederzeit auf diesen Anker zurückgreifen kann. Die verankerten Ressourcen können dann zu jeder zukünftigen Bewältigung von Flugangst oder anderen kritischen Situationen genutzt werden.

Man merkt also schnell – Hypnose ist fern von Hokuspokus zu betrachten und eher als ernstzunehmende Therapiemöglichkeit einzustufen. Durch Hypnose können viele Therapieziele umgesetzt werden, grundsätzlich kann Hypnose aber jedem was nützen, der mehr über das eigene Ich erfahren möchte, denn letztendlich tritt man durch die Hypnose in einen besonderen Kontakt mit dem eigenen Unterbewusstsein. Positive Veränderungen können so bewirkt, eigene Ressourcen gestärkt oder der eigene Erkenntnisgewinn kann gefördert werden.

Quellenhinweis: Werner J. Meinhold, Das Grosse Handbuch der Hypnose – Theorie und Praxis der Fremd- und Selbsthypnose, 11. Auflage 2015, Kulmbach: ML Verlage

Hinweis: Der oben genannte Artikel ersetzt nicht den Besuch beim Psychologen, Arzt oder Therapeuten und ist nicht zur Selbsttherapie/-behandlung geeignet.

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